Die Inquisition des Mittelalters

Der Begriff der Häresie
Wenn man in unserer heutigen Gesellschaft über das Thema „katholische Kirche“ spricht, fällt auch immer wieder der Begriff „Inquisition“ und die damit anscheinend irgendwie verbundene Hexenverfolgung.
Nun liegen, wie so oft, die Dinge dann doch etwas anders, als man es so im Alltag oft hört.
Man will nicht leugnen, dass damals auch viele Untaten begangen wurden, aber die Idee und die Daseinsberechtigung der Inquisition muss objektiv und im Kontext der damaligen Zeit, also der des Mittelalters betrachtet werden.
Man muss sich immer ins Gedächtnis rufen, dass im Mittelalter der Glaube fest mit der Gesellschaft verwoben war.
Die Überzeugung, dass der Mensch von Gott und für das übernatürliche Leben und nicht allein für diese Welt erschaffen worden ist, durchdrang zu jener Zeit die ganze Gesellschaft. Es wurde versucht, diese Überzeugung möglichst im tägliche Leben anzuwenden. Die Kirche hat den Auftrag erhalten, die wahre Heilsbotschaft, also den Weg, der eben jene Vorstellung verwirklicht, allen zu verkünden. Wer aber davon abweicht, lehnt sich sowohl gegen die in der Kirche als der von Christus gestifteten Heilsinstitution als auch gegen das dazugehörige Regelwerk, das zu dieser Zeit Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens war, auf. Auch die Gesellschaft soll christlichen und somit kirchlich-katholischen Lehren folgen. Daher auch die Gefahr, die in jenen auftretenden Irrlehren gesehen wurde für die christlich-katholische Gesellschaft. Die Prämisse nämlich, dass die Irrlehre das Leben der Menschen in der Gnade Gottes zerstört und Unheil bringt. Logische Konsequenz daraus war dann auch der entschiedene Kampf gegen die Irrlehre und dann folgerichtig auch gegen die Irrlehrer.
Ein Angriff zu damaliger Zeit auf den christlichen Glauben war gleichzusetzen mit einem Angriff auf die Gesellschaftsstruktur. Ein passender Vergleich dazu wäre, dass wir in unserer heutigen Gesellschaft auch keine verfassungsfeindlichen Parteien oder terroristischen Organisationen dulden dürfen.
Das gleiche galt damals für Häretiker. Da diese vom Glauben abgekommen waren und gegen ihn vorgegangen sind, haben sie sich aus der Gesellschaft des Mittelalters ausgeschlossen und bedrohten nun diese. Die Inquisition kann man aus heutiger Sicht etwa mit unserem Verfassungsschutz vergleichen. Jeder, der verfassungsfeindlich ist und dies auch offen zeigt und somit eine Gefahr für die Gesellschaft bildet, wird vom Verfassungsschutz aufgegriffen. Nichts anderes war die Intention der Inquisition.
Zum besseren Verständnis muss zuallererst geklärt werden, was genau man unter dem Begriff „Häresie“ versteht. Der Begriff Ketzer oder Häretiker kommt von dem Wort Häresie. „Häresie“ wird von altgriechisch αἵρεσις, haíresis abgeleitet und bedeutet in unserem Kontext so viel wie „Wahl, Auswahl“. Es ist eine Bezeichnung für eine Lehre, die im Widerspruch zu den überlieferten katholischen Glaubensgrundsätzen steht. Ein Gegenbegriff ist „Orthodoxie“, „Rechtgläubigkeit“.
Eine Häresie ist also eine Lehre, die der Lehre der katholischen Kirche widerspricht. Häretiker oder Ketzer sind also Menschen, die einer solchen irrigen Lehre anhängen und auch öffentlich bekennen.
Im Mittelalter gab es unterschiedliche Gruppen von Häretikern. Diese einzelnen Gruppen hatten unterschiedliche Namen (Waldenser, Katharer [Albigenser], Humiliaten, etc.) und auch ganz unterschiedliche Auffassungen über den wahren Glauben, sie waren also nicht homogen in Glaubensfragen.
Die Inquisition (lateinisch inquirere ‚untersuchen‘) geht aus dem Bestreben der katholischen Kirche hervor, die Lehre Jesu Christi gegen Angriffe von Häretikern zu verteidigen und somit die Gläubigen vor der Gefahr zu bewahren, von der Lehre der Kirche abzukommen und somit des ewigen Heiles verlustig zu gehen. Also war die eigentliche Intention der Kirche nicht etwa, Hexen und Hexer zu verfolgen und auszurotten, sondern die Gläubigen vor den Irrlehren der Ketzer zu bewahren und diese zu bekämpfen.
Auch war die vornehmliche Methode der Inquisitoren nicht das Foltern und das Verbrennen, sondern das Exkommunizieren, also das Ausschließen aus der lebendigen Gemeinschaft der katholischen Kirche. Diese Exkommunikation konnte aber jederzeit auch wieder aufgehoben werden, wenn man den betreffenden Fehltritt bereut und den Irrlehren, den man zuvor angehangen hatte, abgeschworen hat. Dieses aus heutiger liberaler Sicht ungewöhnliche Vorgehen war aber nicht nur zu der Zeit der Inquisition gerechtfertigt, sondern ist es in der katholischen Kirche auch heute noch, da in der Kirche das allgemeine Bestreben vorherrscht, die von den Aposteln überlieferte Lehre gegen jegliche Irrlehre und somit menschliche Verfälschung zu verteidigen. Dass die Inquisition nachher gelegentlich aus dem Ruder gelaufen ist und teilweise Dinge im Namen der Inquisition begangen wurden, die nicht den Lehren der Kirche entsprechen, ist traurig und sehr zu bedauern und muss im Kontext der damaligen Zeit betrachtet werden.
Außerdem war die Katharer- und Waldenserbewegung nicht einfach nur ein Zusammenschluss von einigen wenigen Laien, sondern ein flächendeckendes und länderübergreifendes Netzwerk, in das auch hohe Würdenträger eingebunden waren, die vom Glauben abgefallen waren. So waren in den Reihen der Häretiker auch einige Bischöfe und viele Priester vertreten. Die Bewegung war sogar so stark, dass sie sogar eigene Gegenkonzilien abhielt. Die Häretikerbewegung war also eine wirklich ernstzunehmende Bedrohung für die katholische Kirche als Heilsinstitution.

Die Reaktion der Kirche
Papst Alexander III. rief 1179 das dritte Laterankonzil ein. In diesem Konzil wurde das erste Mal das strenge Vorgehen gegen die Katharer erarbeitet und befürwortet. Wobei die Bestrafung nur aus Exkommunikation und Verweigerung eines christlichen Begräbnisses bestand. Die Zurücknahme der Exkommunikation war jedoch, wie oben genannt, möglich.
Papst Lucius III. erweiterte diese Vorgehensweise dann 1184 nebst den Katharern auch auf andere Ketzergruppen (Waldenser, Humiliaten). Außerdem war ab sofort das Predigen der Laien in der Kirche verboten und nur noch Priestern und Bischöfen vorbehalten, um das Risiko der Verwirrung unter den Gläubigen aufgrund von Falschaussagen zu minimieren. Die Ketzerverfolgung und Bestrafung war in dieser Anfangszeit der Inquisition ausschließlich Bischöfen vorbehalten. Man spricht daher auch gern von der bischöflichen Inquisition. Hier liegen die Anfänge der Inquisition, wie sie auch heute noch beschrieben werden.
Papst Innozenz III. hatte dann in seiner Bulle (kirchliches Schreiben) „Vergentis in senium“ 1199 das Verbrechen der Häresie dem der Majestätsbeleidigung gleichgesetzt. Damit einhergehend waren auch scharfe Sanktionen und Strafen. Er betonte allerdings, dass man bei aller Bestrafung jedoch nicht die Verpflichtung der Kirche zur Barmherzigkeit außer Acht lassen dürfe. Ab 1206 wurde von Papst Innozenz III. eine Gruppe von Zisterziensermönchen nach Südfrankreich geschickt, um die Ketzer durch Predigt und Gespräche wieder auf den Weg der katholischen Kirche zu führen. Diese Vorgehensweise brachte aber nicht den gewünschten Erfolg. Deshalb wurde 1209 zum Albigenserkreuzzug aufgerufen, um den Ketzern in Südfrankreich endlich Einhalt zu gebieten. Der Albigenserkreuzzug richtete sich gegen die Häretikergruppe in Südfrankreich. Diese hießen Albigenser, da sie sich in der Stadt Albi gegründet hatten.
Papst Innozenz III. legte während seines Pontifikats den Grundstein für ein neues Inquisitionsverfahren. Hier war Ankläger nicht mehr einer der Konfliktparteien, sondern ein obrigkeitlicher Ankläger, der auch die Gerichtsbarkeit inne hatte. Die Beweisführung war sehr rational gehalten. Man stützte sich primär auf Zeugenaussagen. Archaische Beweismittel, wie Gottesurteile oder Reinigungseide waren nicht mehr zugelassen. Diese Art der Prozessführung war von der mittelalterlichen Scholastik beeinflusst. Auch wurde nun Protokoll geführt bei den Inquisitionsverfahren. Dies stellte in manchen Bereichen eine Modernisierung im Verfahrensprozess dar.
1215 fand dann das vierte Laterankonzil statt, in dem nicht nur die Ketzer wieder exkommuniziert wurden, sondern es wurde unter anderem beschlossen, dass das Überprüfen von Pfarreien durch die Diözesanbischöfe rechtmäßig und notwendig sei.
Ab sofort wurden Ketzer dem weltlichen Arm (also den Fürsten) zur Bestrafung überlassen, da die Kirche keine Blutgerichtsbarkeit hatte. Papst Innozenz III. hatte es zuvor erst einmal mit Geduld und Predigen versucht. Von Gewaltanwendung hatte er sich erst einmal distanziert. Erst als er gesehen hatte, dass das Predigen allein nichts bewirkte und sogar seine von ihm beauftragten Zisterzinsermönche von den betreffenden Häretikern umgebracht wurden, sah er ein, dass dieser Bedrohung nicht allein mit Wortgewalt beizukommen sei.
Kaiser Friedrich II. führte 1224 daraufhin die Feuerstrafe ein und ließ verordnen, dass Häretikern, falls die Richter sie nicht zum Feuertod verurteilten, wenigstens die Zunge herausgeschnitten werde. Diese doch sehr grausam anmutende Methode, gegen Häretiker vorzugehen, ist zwar nicht rechtens und auch nicht im Sinne der Kirche gewesen, muss aber im Kontext der Zeit gesehen werden, wo man mit allen Mitteln versuchte, die Lehre der katholischen Kirche zu verteidigen. Die Verquickung von Kaisertum und Papsttum zu dieser Zeit erklärt auch, warum sich der Kaiser in die kirchlichen Angelegenheiten mit seinen Erlassen einmischte. Zwar hatte sich das Papsttum in den letzten zwei Jahrhunderten vom Einfluss des Kaisers emanzipiert, doch hatte die Lehre der katholischen Kirche nach wie vor Einfluss auf das alltägliche Leben der Menschen. Auch war sich der Kaiser seiner Würde als oberster Beschützer der Kirche vor weltlichen Gefahren bewusst.
Diese harte Bestrafung wurde aber nicht offiziell in der Dekretalensammlung von Papst Gregor IX. aufgeführt. Das Papsttum erlaubte diese Handlungsweise also nicht ausdrücklich und machte sie sich auch nicht zu eigen, duldete sie aber stillschweigend.
Papst Honorius III. führte das Bestreben, die Ketzergruppen auszumerzen, weiter, um die im vierten Laterankonzil beschlossene Verfolgung der Häretiker Geltung zu verschaffen. Allerdings wandte sich Papst Honorius III. gegen die Barmherzigkeitsbeschränkungen seines Vorgängers Papst Innozenz III. Er schloss unter anderem einen Vertrag mit dem französischen König Ludwig VIII., sodass dieser 1226 ein Gesetz erließ, in welchem er sich verpflichtete, alle Häretiker, die von einem bischöflichen Gericht verurteilt wurden, entsprechenden Strafen zuzuführen. Somit war nun auch in Frankreich dafür gesorgt, dass Häretiker ihrer Strafe zugeführt werden.
Papst Gregor IX. (1227-1241) führte die Politik seines Vorgängers, der die Kanones (=Beschlüsse) des vierten Laterankonzils in Frankreich, Spanien und dem Reich zur Geltung gebracht hatte, energisch weiter. Er beschritt nun einen neuen Weg der Ketzerbekämpfung. Er beauftragte bestimmte Orden (vor allem die Dominikaner) als päpstliche Sonderbeauftragte, die nach Häretikern fahnden sollten. Der Papst ernannte vorzugsweise Dominikaner zu Inquisitoren (z.B. Konrad von Marburg), da diese schon sehr früh in der theologischen Ketzerbekämpfung aktiv geworden waren und damit am meisten Erfahrung hatten. In dieser Zeit entstanden auch die Lehrbücher der Inquisition, wobei in manchen Büchern einige sehr harte Strafen und Methoden zur Bekämpfung von Häretikern aufgeführt wurden. Diesen Abschnitt der Inquisitionsgeschichte nennt man auch die päpstliche Inquisition, da jetzt im Gegensatz zur bischöflichen Inquisition, Rom aktiv daran teilnahm. Somit entband Gregor IX. die Bischöfe von ihrer Inquisitionspflicht, sie konnten aber weiterhin auf Verdacht tätig werden. Das Vollstrecken der Strafen von verurteilten Häretikern durch die französische Krone, das von Ludwig VIII. beschlossen wurde, wurde 1229 von Ludwig IX. nun offiziell bestätigt.
Im Konzil zu Toulouse (1229) in Frankreich wurden unter Gregor IX. die Vorgehensweisen gegen Ketzer verschärft. Auch wurde ein entscheidender Schritt getätigt, der die Inquisitionsbewegung bedeutend weiterbrachte. Es wurde jetzt ein eigener, dauerhafter Inquisitionsgerichtshof zusammengestellt. Die Richter dieses Gerichtshofes wurden mit bischöflichen Vollmachten ausgestattet und deren einzige Aufgabe bestand darin, Häretiker aufzuspüren und vor ihr Gericht zu stellen. Hintergrund dieser Maßnahmen war der nicht enden wollende, offene Widerstand der Katharer in Frankreich. Nach dieser Verschärfung der Maßnahmen gingen die Katharer in den Untergrund und der äußere Widerstand hörte auf.
Papst Gregor IX. entwickelte die Ketzergesetzgebung dann 1231 weiter und nahm die von Friedrich II. 1224 verhängte Feuerstrafe in das Register der päpstlichen Inquisition auf. Damit war das Verbrennen offiziell von Rom anerkannt, wobei auch hier erwähnt werden muss, dass das Verbrennen nicht oft zur Anwendung kam, da das Hauptziel der Inquisition, die Zurückführung der Menschen auf den rechten Glaubensweg, oberste Priorität hatte und die Feuerstrafe nur bei verhältnismäßig wenigen Häretikern als Bestrafung angewendet wurde. Auch nahm er einige Beschlüsse aus dem Konzil von Toulouse in das Register auf. Somit wurden nun öffentliche und private Gespräche unter Laien über Glaubensfragen verboten. Die Ketzer, die abgeschworen hatten, wurden ab sofort unter lebenslange Haft gestellt. Hier ist auch wieder anzumerken, dass diese Bestrafung nur bei sehr schweren Fällen angewendet wurde. Meistens wurden die bekehrten Häretiker nur zum Tragen des Ketzerkreuzes in einer gewissen Zeitspanne verurteilt. Auch wurde einer Familie, aus der ein Häretiker kam, bis in die zweite Generation verweigert, kirchliche Ämter zu bekleiden. Der Besitz von Häretikern wurde beschlagnahmt und ging zu einem Drittel an den Denunzianten, der bei der Fassung des Häretikers mitgewirkt hatte. Mit diesem Schritt war der Inquisitionsprozess abgeschlossen.
Alle wesentlichen Elemente lassen sich nun feststellen: Bürgerliche und politische Entrechtung, Verbannung und das Verbot, Berufung einzulegen oder einen Anwalt zu fordern. Hier muss aber auch erwähnt werden, dass nicht einmal Papst Gregor IX. bei all seiner Härte bei der Bestrafung von Häretikern das Foltern zur Wahrheitsfindung gestattete, wie es heute aber von den meisten geglaubt und von einigen Historikern behauptet wird.
Auch durch diese harten Maßnahmen wurde es nicht geschafft, die Ketzerei vollkommen in den Griff zu bekommen, obwohl durch die Inquisition, jedenfalls bei Abweichung vom Kirchenglauben, ein scharfer Abwehrkampf möglich wurde.

Inquisition im Kirchenrecht
Unter Papst Innozenz IV. machte die Institution der Inquisition eine grundlegende Wandlung durch. Die Inquisition wurde nun zu einem Institut des kanonischen Rechts (also des Kirchenrechts). Dabei milderte Papst Innozenz IV. allenthalben die Strafen für Häretiker. Ein Grund war unter anderem, dass in Deutschland und Südfrankreich die Anfangshärten unter Gregor IX. Ablehnung hervorgerufen hatten. Die würdigere Prozessführung, also dass Angeklagte sich einen Anwalt nehmen durften und Berufung einlegen konnten, wurden in den Beschlüssen der Synoden von Narbonne (1243) und Bezires (1246) festgelegt.
Außerdem erreichte Innozenz IV. ein harmonisches Zusammenwirken von Krone und Papsttum in Frankreich, aber auch in gemindertem Maße in Spanien und Deutschland. Neu war allerdings an der Politik Innozenz IV., dass er die Folter in Verhören zur Wahrheitsfindung genehmigte, wobei die Betroffenen keine bleibenden Schäden davontragen durften (darunter fielen zum Beispiel Knochenbrüche und Verstümmelungen), denn ursprünglich wollte die Inquisition ganz ohne Folter auskommen. Da aber nach dem mittelalterlichen Recht es nur zu einer Verurteilung kommen konnte, wenn es ein Geständnis gab und ohne Folter das oft nicht zu erreichen war, hat Papst Innozenz IV. die Folter erlaubt. Sie wurde aber nur bei besonders schwerwiegenden Fällen angewandt. Auch musste das unter Folter abgelegte Geständnis am folgenden Tag wiederholt werden. Erst dann war es rechtskräftig.
Bevor man Menschen gefoltert hat, hatte man ihnen oft einen Tag zuvor die Folterinstrumente gezeigt und Bedenkzeit gegeben. Viele haben diese Gelegenheit genutzt, um ein Geständnis abzulegen. Also war es keinesfalls so, dass man alle Verdächtigen sofort gefoltert hat. „Die populäre Vorstellung, dass die Folterkammer der Inquisition ein Schauplatz raffiniertester Grausamkeiten, ganz besonders abgefeimter Quälereien und größter Härte im Erpressen von Geständnissen sei, ist ein Irrtum, der auf das Konto von Sensationsschriftstellern geht, welche die Leichtgläubigkeit der Leute ausgenutzt haben.“ (Henry Charles Lea)
Nun ist es aber nicht zu leugnen, dass die Folter als Mittel zum Zweck niemals toleriert werden darf. Insofern, mag die Intention dahinter auch noch so rechtschaffen gewesen sein, bleibt es dennoch ein Makel, der an der Institution der Inquisition hängen bleibt.
Anzumerken sei jedoch, dass das Gerichtssystem der Inquisition de jure doch sehr modern wirkt. Es führte schon damals den fundamentalen Grundsatz ein: ohne Geständnis keine Verurteilung. Auch gab es schon so etwas wie Anwälte, die die Angeklagten vertraten.
Die tatsächliche Politik des Papstes brachte aber viele Milderungen und Amnestien für alle. So wurden alle Strafen und Konsequenzen für diejenigen erlassen, die innerhalb eines Jahres sich wieder mit der Kirche versöhnten. Auch wurde die von Gregor IX. 1231 eingeführte Sippenhaft, also die Mitbestrafung der ganzen Familie des Häretikers durch zum Beispiel durch den Entzug der Fähigkeit, kirchliche Ämter zu bekleiden, oder durch die Beschlagnahme des Besitzes, abgeschafft. So kehrte Papst Innozenz IV. zu der barmherzigeren Festigkeit von Papst Innozenz III. zurück.
Die Urteile der Inquisitoren waren auch ganz unterschiedlich. Wie oben erwähnt, erhielten Häretiker, die der Häresie abgeschworen hatten, normalerweise nur leichte, zeitweise geltende Strafen, die als Buße gedacht waren. Das war zumeist das befristete Tragen eines aufgenähten Büßerkreuzes (Ketzerkreuz), Geldbußen oder die Verpflichtung zu Bußgebeten oder Wallfahrten. Nur bei rückfälligen Häretikern oder besonders schweren Vergehen wurde die Kerkerhaft oder gar der Feuertod in Betracht gezogen. Auch variierte das Ausmaß der Strafen stark, wie einige Beispiele zeigen:
- Unter Dominikanerinquisitor Petrus Seila, der in Frankreich tätig war, gab es 1241/42 um die 600 Verurteilungen, wobei meistens nur das Tragen von Ketzerkreuzen angeordnet wurde. Die härteste Strafe war das Pilgern nach Konstantinopel. Gefängnis- oder Todesstrafen gab es keine.
- Unter dem Inquisitor Bernard de Caux in Frankreich gab es insgesamt 207 Verurteilungen. Davon waren 23 Gefängnisstrafen und der Rest wurde zum Tragen von Büßerkreuzen verurteilt. Auch hier gab es keine Todesurteile.
- Der Inquisitor Petrus Zwicker sprach 1397 in Österreich über 1000 Verurteilungen aus. Davon wurden ca 90 Menschen hingerichtet. Der Rest wurde zu Bußleistungen unterschiedlichster Art verurteilt.
Das Neue Testament enthält auch einige Textstellen, die über den Umgang mit Häretikern entsprechend ausgelegt werden konnten.
Im Johannesevangelium sagt Jesus in einem Gleichnis: „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.“ (Joh. 15,6). Wörtlich genommen kann das schon als Aufforderung gesehen werden, Häretiker dem Feuer zu übergeben. Jesus hatte in diesem Gleichnis eigentlich das Feuer der Hölle gemeint, aber dieses Zitat wurde bisweilen falsch ausgelegt.
Auch viele Kirchenlehrer äußerten sich zu diesem Thema. Wie zum Beispiel der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo, der in Afrika im fünften Jahrhundert lebte. Er forderte gemäßigte oder strenge Strafen, bis hin zur Todesstrafe, auch wenn er letztere nicht als wünschenswert ansah: „Wir möchten sie verbessert haben, nicht getötet; wir wünschen uns den Triumph der Kirchenzucht, nicht den Tod, den sie verdienen.“
Auch Thomas von Aquin lieferte ein theoretisches Gerüst für die mittelalterliche Inquisition: „Die Annahme des Glaubens ist freiwillig, den angenommenen Glauben beizubehalten notwendig.“

Historische Bewertung.
Die Einrichtung der Inquisition, das Zusammengehen von kirchlicher und weltlicher Macht im Kampf gegen die Häresie, auch die Härten der Verfahren und die Grausamkeit mancher Strafen - Das alles kann und muss man von den Voraussetzungen der hochmittelalterlichen Gesellschaftsordnung her betrachten und begreifen. Das einigende Band war der Glaube, der durch die zersetzende Gewalt der Häresie in Gefahr geriet. Die Christenheit führte diesen Kampf mit allen Mitteln der kirchlichen und weltlichen Gewalt. Vielleicht war das christliche Selbstverständnis in einigen Schichten verdunkelt und diese Schatten sollten den künftigen Generationen zur Mahnung dienen. Aber nichts desto trotz muss man sich im Kontext der Geschichte ein verständnisvolles Urteil über die Geschichte der Inquisition bilden.
Kirchenfeindliche Quellen sprechen von 95 Millionen Opfern der Inquisition.
Seitdem die Archive des Vatikan zum Thema Inquisition für die Wissenschaftler uneingeschränkt zugänglich sind, haben sich ganz andere Zahlen ergeben. Bis zum 17. Jahrhundert gab es 44.647 Inquisitionsverfahren. Davon endeten 1,8 Prozent mit einem Todesurteil. 1,7 Prozent der Fälle lautete das Urteil Verbrennen in effigie (also das Verbrennen von Strohpuppen, weil den Verurteilten die Flucht gelang). In einem Drittel der Fälle endete das Verfahren mit einem Freispruch. In der Regel wurde gerade mal aus jeder zehnten Anzeige ein Prozess. Jeder dritte Prozess wurde wieder fallen gelassen.
Man darf aber die Inquisition nicht gleichsetzen mit der Hexenverfolgung im 15. – 18. Jahrhundert.
Die Annahme, dass die Hexenverfolgung hauptsächlich auf das Konto der Inquisition geht, ist historisch falsch und kann widerlegt werden.
Zuallererst muss man sich ins Gedächtnis rufen, wer die Hexenverfolgung überhaupt ausgelöst und vorangetrieben hatte. Das war mitnichten die katholische Kirche, sondern die protestantischen „Kirchenreformierer“ unter Martin Luther und Johannes Calvin. Deren Lehre besagt, dass alle Menschen ja grundsätzlich und ausnahmslos unter der Gewalt des Teufels stünden, woraus sich somit der Hexenwahn und die damit verbundene Verfolgung legitimierten ließen.
Damit ist es auch zu erklären, dass die Hexenprozesse erst in deutschen, protestantischen Gebieten aufkamen und dann erst allmählich auf katholische Gebiete übergriffen, in denen der Protestantismus verbreitet war. An dieser Stelle muss man der Inquisition aber wiederum zu Gute halten, dass in den Gebieten, in denen die Inquisition gut organisiert war, die Zahl der Hexenprozesse mit Abstand am geringsten waren. Die Hexenverfolgung wurde in den allermeisten Fällen von weltlichen Gerichten vorangetrieben. Die einzige Parallele zwischen der Inquisition und Hexenverfolgung war der Prozessvorgang und die Methode des Verhörs, also zum Beispiel die des Folterns.
Zwar gab es auch Inquisitoren, die „Hexen“ verfolgten, aber nur bei verhärtetem Verdacht, dass die Person einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sei. Auch wurden der Hexerei verdächtige Personen, die vor ein kirchliches Gericht gestellt wurden, analog zu einem Häretikerprozess, vor die Wahl gestellt, der Hexerei abzuschwören, um damit härteren Strafen zu entgehen. Diese Möglichkeit gab es in den weltlichen Prozessen nicht.
Deshalb findet man in den Archiven des Vatikan auch kaum Berichte über Hexenprozesse. Diese Berichte sind eher zu finden in Archiven von Schlössern weltlicher Fürsten oder einzelner Klöster.
Zum Schluss ist vielleicht noch anzufügen, dass die katholische Kirche aus ihren Fehlern gelernt hat. Denn im Nachhinein hat sie Fehler auch eingestanden, die sie begangen hatte.
Als Beispiel gilt der Fall „Johanna von Orleans“ gelten.
Während des hundertjährigen Krieges wurde sie von einem pro-englisch eingestellten Bischof auf französischem Boden aus politischem Kalkül heraus der Häresie angeklagt und zum Tode verurteilt. Sie wurde am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Da dies ein ungerechtes und aus niederen Beweggründen gefälltes Urteil war, bemühte sich die Kurie 24 Jahre nach ihrem Tod um Wiedergutmachung und strengte einen Revisionsprozess an. Johanna von Oreans wurde posthum von allen Anklagepunkten frei gesprochen. Außerdem wurde sie zur Märtyrin erklärt. 1909 wurde sie überdies von Papst Pius X. selig- und 1920 von Papst Benedikt XV. heiliggesprochen.

Christian Schumacher

Quellen:

- http://de.wikipedia.org/wiki/Häresie
- http://de.wikipedia.org/wiki/Inquisition
- Handbuch der Kirchengeschichte (vierter/fünfter Abschnitt von Prof. Dr. Hans Wolter, Kapitel 21, 22, 28)
- “Geschichte der Kirche” von Joseph Lortz (§ 54)
- “Deine Kirche ist ja wohl das Letzte” von Ulrich Filler

 

 

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